29.03.03, EM Qualifikation Schottland - Island 2:1
Glasgow, Hampden Park, ca. 38.000 Zuschauer
Aufstellung:
Tor:
Árni Gautur Arason
Verteidigung: Bjarni Óskar Þorsteinsson, Arnar Þór Viðarsson, Lárus Orri Sigurðsson, Ívar Ingimarsson und Guðni Bergsson.
Mittelfeld: Jóhannes Karl Guðjónsson, Brynjar Björn Gunnarsson und Arnar Grétarsson
Sturm: Rúnar Kristinsson (Kapitän) und Eiður Smári Guðjohnsen
Ersatz: Birkir Kristinsson, Pétur Hafliði Marteinsson, Þórður Guðjónsson (ab 82. min. für Arnar Viðarsson), Gylfi Einarsson, Indiði Sigurðsson, Tryggvi Guðmundsson (ab 88. min. für Eiður Guðjohnsen) und Marel Baldvinsson

Tore:
1:0 in der 11. min. durch Kenny Miller (Schottland)
1:1 in der 48. min. durch Eiður S. Guðjohnsen (Island)
2:1 in der 70. min. durch Lee Wilkie (Schottland)


Karten:

Spielbericht:


Glasgow - oder "where is all the pubs?"

Das gesamte Wochenende war wirklich super, nur das Hinkommen war ein einziger Krampf... Ryanair ab Lübeck nach Londoon mit 80 Minuten Verspätung, dann noch 30 min auf den Rucksack warten und damit war der - eigentlich zeitlich sehr grosszügig geplante - Anschlussflug nach Glasgow weg. Naja, nicht weg, er hatte nämlich auch Verspätung, aber der Check In war schon geschlossen... ich war gerade mal 3 min. zu spät gekommen...
60 Euros ärmer aber dafür auf der Stand By Liste für einen späteren Flug war Warten angesagt. zum Glück mit einem netten jungen Mann aus Hamburg, ebenfalls St.Pauli Fan und auf dem Weg nach Dublin.

Endlich in Prestwick gelandet, den Zug nach Central Station erwischt ("thank you for travelling with scotrail" schallt bei jeder der 14 Stationen aus den Lautsprechern), ist es dann doch schon 16.00 Uhr als ich in der City ankomme. Schnell ins Hotel (15 min. die "Berge" von Glasgow erklimmen), dann weiter ins Hotel der isländ. Reisegruppe, um die Tickets abzuholen. Nächstes Problem: Hörður, der Reiseleiter ist inzwischen aus dem Hotel ausgezogen. Dank einer Handynummer, die er mir geschickt hatte, versuche ich ihn an die Strippe zu kriegen. Die Nummer ist allerdings nicht seine Privatnummer, sondern aus seinem Büro in Island. Dort geht ein mir völlig fremder Isländer an den Apparat, dem ich dann das Problem schildere und der mir das neue Hotel, die Telefonnummer und Zimmernummer von Hörður nennt. Leider wird die Zeit knapp, das Training geht nur bis 18.30, also erstmal auf zum Training und Tickets später holen.

Im Bahnhof klappt alles gut, der Zug steht abfahrbereit auf dem angegebenen Gleis. Einsteigen, losfahren, in 15 Minuten am Stadion sein, gerade noch sehen wie die Jungs auslaufen und evtl. ein paar Worte mit den Isländern. Pustekuchen... Scotrail hat mal eben die Zugziele geändert, statt ins Stadion fahren wir jetzt in Richtung Flughafen, und der olle Zug hält die ersten 3 Stationen nicht. Bei der vierten steigt die Hälfte der Fahrgäste aus, stürmt aufs andere Gleis und muss genau wie ich zurück zum Hauptbahnhof.... Damit ist das Training gestorben. Und Scotrail hat nicht gerade Pluspunkte gesammelt... Sowas kommt aber scheinbar häufiger vor, denn die Schotten blieben alle sehr ruhig und störten sich nicht weiter dran.

18.30 sitze ich nach einer nutzlosen Fahrt wieder im Hauptbahnhof. Also auf zum Tickets holen, Kein Problem diesmal, Hördur kommt, fragt noch ob wir mitwollen zum U-21 Spiel der Isländer, aber ich ziehe nach dem Stress erstmal eine Kneipe und ein Bier vor. Nach 5 kühlen Blonden in einer sehr guten Rock/Metalkneipe gehts gegen 23.00 dann zum Absacker nehmen weiter. Ein zweiter Rockclub bietet sich an. Nach 2 Getränken geht da um 24.00 das Licht an und der Türsteher scheucht alle Gäste raus... Sperrstunde!

Das Frühstück verschlafe ich genüsslich am nächsten Morgen und gegen 11.00 machen wir uns auf in die Innenstadt, essen und bummeln und dann zum Stadion. In unserem Hotel treffen wir auf die ersten Isländer und auch auf dem Weg zum Bahnhof sind schon überall welche. Langsam kommen wir richtig in Fussballstimmung. Gegen 13.00 gehts unter der ordnenden Hand der Polizei (die äusserst diskret und überaus freundlich auftritt!) zum Stadion. Massen von Schotten, aber auch einige Isländer.
Ohne Taschen- oder gar Körperkontrolle stehen wir dann im Stadion. Sehr gigantisch! 50.000 Plätze und eine nette Optik.

Nach und nach treffen auch immer mehr Isländer ein, in Trikots, mit Fahnen, Bannern und bunt angemalt. Wir fragen, ob wir unsere Kombiflagge Island-St.Pauli aufhängen dürfen, und nach einigem (sehr freundlichem und bemühten) hin und her der Polizei mit der Zentrale kriegen wir das ok, sie über die unteren Sitzreihen spannen zu dürfen, werden sogar noch gefragt, ob wir Tape dabei hätten. Scheinbar hat sogar die Polizei Freude an der ganzen Sache. Neugierig fragen die Polizisten dann nach, was denn St.Pauli sei, aber unsere Erklärung "ein deutscher Zweitligist" kommt irgendwie nicht an. In Glasgow ist St.Pauli nun (leider) als isländ. Zweitligist gespeichert...

Vorm Anpfiff zieht eine Band marschmusikmachenderweise durchs Stadion, dann wird die Aufstellung verlesen und die Spieler machen sich warm. Alle Isländer leider auf der dem Fanblock gegenüberliegenden Seite... also keine Fotos. Dann stehen die Mannschaften bereit, die isländ. Hymne ertönt. Alle stehen voller Ehrfurcht und Vorfreude da. Danach die schottische Hymne, lautstark von den Schotten mitgesungen.



Anpfiff, und gleich ein gutes, schnelles Spiel. Unerwartet gute Isländer, aber nach 11 Minuten schon das 1:0 für die Schotten durch Kenny Miller. Danach laufen die Isländer dem Ball nur nach, kriegen nichts mehr auf die Reihe. Das Spiel wird langsamer und recht öde. Einzelne Versuche der Isländer scheitern schon an der Mittelinie, und nur dank Kapitän Rúnar Kristinsson (Lokeren) und dem Brecher Eiður Guðjohnson (Chelsea) kriegt Island nicht noch ein zweites Tor rein. Neben Jóhannes Karl Guðjónsson (Aston Villa, der jüngste Bruder vom Bochumer Guðjónsson) fällt mir eigentlich nur noch Arnar Viðarsson (Lokeren) positiv auf.

Pause, irgendein Boxer sorgt auf dem Rasen für Publikumsfreude, während die isländ. Auswechselspieler (Marel ist auch dabei) ziemlich relaxt und heiter ein bischen bolzen und Spässe mit dem Ball machen.

Zweite Halbzeit: Kaum Anpfiff schon ein Tor (Eiður Guðjohnsen, 48. min.). Es ging so schnell und so unerwartet und auch noch auf der anderen Seite, das wir aus dem Isländerblock es kaum mitbekommen haben. Riesenjubel, alles liegt sich in den Armen und feiert. Jetzt sind die knapp 1000 Isländer wach geworden und wir liefern uns mit den Schotten ein paar Gesangskämpfe ("Áfram Ísland!") inkl. wildem Fahneschwenken ;-)
Nun spielt island richtig guten Fussball, bringt die Schotten mehrmals in Bedrängnis. Mein Lieblingsspieler hingegen sieht inzwischen ziemlich gelangweilt aus und trabt am Rande brav auf und ab, in der Hoffnung doch noch rein zu kommen, aber nichts, keine Chance.

Nach gut 20 Minuten in der zweiten Halbzeit ist bei den Isländern die Kraft aber weg, sie machen Fehler über Fehler und die Bälle erreichen ihr Ziel so gut wie. Die Schotten nutzen das aus, kontern sehr schnell und haben bis zum Strafraum auch fast immer freien Weg vors Isländer Tor. In der 70. min. dann das, was schon in der Vorbereitung gut zu sehen war: 2:1 für die Schotten durch Lee Wilkie. Die letzten 20 Minuten nutzen beide Trainer für ausgiebiges Wechseln. In der 74. min. geht Brynjar Björn Gunnarsson vom Feld, für ihn kommt Þórður Guðjónsson rein. Die beiden anderen Isländer, die mit Marel am Rande joggen, werden in der 82. min. (Arnar Viðarsson, Lokeren, raus, Inðridi Sigurðsson, Lillestrøm, rein) und in der 88. min (Eiður Guðjohnsen, Chelsea, raus, Tryggvi Guðmundsson, Stabæk, rein) eingewechselt. Die letzten Minuten geht es dann noch mal rasanter zu, viele hohe Bälle weit übers Feld, Island hat sogar noch zwei, drei Chancen, agiert aber zu nervös und überhastet vorm Schotten Tor. Nachspielzeit ist auf 4 Minuten festgelegt aber Schiedsrichter Temmink (Holland) lässt ungerührt bald 5 Minuten weiterspielen, was beide Trainer zu wüsten Schimpfkanonaden veranlasst.

Dann endlich Abpfiff. Keine Jubelrunde der Schotten, keine Dankes Laola der Isländer für die weitegereisten isländ. Fans. Aber dafür Standing Ovations einiger schottischer Fans für uns. Auf dem Weg aus dem Stadion werden unzählige Hände geschüttelt und viele herzliche Grüsse der Schotten entgegengenommen.



Der Rückweg vom Stadion gestaltet sich etwas schwieriger, als der Hinweg, da nun gleichzeitig 38.000 Leute die beiden Bahnhöfe ansteuern. Wir erleben die längste Schlange unseres bisherigen Lebens...mindestens 2,5 km lang windet sich ein Wirrwarr aus Schotten und Isländern um mehrere Häuserblocks bis zum Bahnhof, flankiert von Polizisten auf Pferden.

Da haben wir keine Lust zu, gehen lieber nochmal ums Stadion, machen Fotos vom Haupteingang (imposant, imposant, eine einzelne Vip Lounge ist sicher grösser als die gesamte St.Pauli Hauptribüne) und mit einem Schotten der Marschmusikband (der sich jetzt freut, eine Isländerin im Arm gehabt zu haben...)

Auch 40 min später kommen wir ums Schlangestehen nicht rum, und als wir endlich wieder in Glasgow Central einlaufen, sind wir hungrig und völlig durchgefroren. Erstmal futtern, dann im Hotel einen Kaffee und etwas aufwärmen. Danach noch ein paar Bier in einer Kneipe und nicht allzu spät zu Bett, da Sonntag schon zeitig der Abflug ansteht. Sonntags morgens gibt es dann bei Sonnenschein auch endlich eine kleine Stadtbesichtigung und ein wenig shoppen, denn in Glasgow haben die meisten Läden auch Sonntags auf. Mittags geht es zum Flughafen und pünktlich und völlig unspektakulär nach London. Dort heisst es es wieder warten.

Wir treffen noch auf ein paar Isländer und später draussen auf einer Wiese vorm Haupteingang ein paar Schotten auf dem Weg nach Litauen zum Spiel am Mittwoch. Die Jungs sind schon in bester Stimmung und haben ihre Schottlandflagge unter die Englandfahne an einen Fahnenmast geknotet. Als wir dann noch unseren Islandschal rausholen und unsere Island-St.Pauli Fahne, gibt es grosses Hallo und kurz darauf hängt auch die Island Fahne mit am Mast. Völliges Unverständnis und Erstaunen löst dann meine Aussage, dass wir keine Isländer seien (ich wollte die beiden nicht im Irrglauben lassen), sondern Deutsche, aus. Warum wir denn nicht unser Land unterstützten, sondern Island? Nun ja, die Deutschen interessieren uns einfach nicht so, die Isländer hingegen spielen zwar keinen Bombenfussball, dafür aber mit ihrem ganzen Herzen, erklären wir. Und wenn dann noch mein Lieblingsspieler dabei ist, ist es noch viel schöner! Ein paar Fotos, Zigaretten, Bier später ist es Zeit zum Einchecken und wir verabschieden uns.
Nach erneutem 1-stündigem Schlangestehen hetzen wir zum Gate, heben ab und sind pünktlich um 22.30 in Lübeck.


Áfram Ísland!

Maren